You are looking at a happy man

von Jörn Lies


Die Spannung zwischen dem Titel der Arbeit und den tatsächlichen Gesichtsausdrücken der abgebildeten Männer ist für mich enorm wichtig. Ich habe einen ernsten, in sich ruhenden Blick gesucht. Aber was kann der schon aussagen über das Gefühlsleben eines Menschen!? Wie viel, meinen wir, durch eine Fotografie von jemandem wissen - erfahren - zu können!?

Dann die Anzahl der Bilder: 12 - keine Reflektion über das Abendmahl, sondern die Frage nach der Differenz. Der zwischen Heiland und Jüngern, zwischen Führer und Geführten, zwischen Individuum und Masse. Und: wer ist in diesem Falle der Heiland, der Betrachter? Dies alles sind Fragen, die jeder für sich selbst klären muß, ich schaffne nur den Raum dafür.

Und schließlich ist dies auch eine Arbeit über Amerika - das gelobte Land. Abgerungen von der Wildnis und entstanden in unendlichem Leid: die Ureinwohner, die Einwanderer, all der Dreck auf den Straßen, die Wildnis in den frisch errichteten Städten, die gewuchert haben wie Tumore, wie Krebsgeschwüre
in einem von der 'Zivilisation' unbeflekten Land. Ursprünglich Goldgräbersiedlungen oder Handels-
posten, dominiert von Männern, denen keine Grenzen gesetzt waren. Die machen konnten, was sie wollten. Mit den Wilden, mit Frauen, mit schwarzen und mit gelben Sklaven und schließlich auch mit ihresgleichen. Die selber oft wilder, unzivilisierter waren, als die vermeintlich wilden Rothäute.

Es ist auch eine Arbeit über Erinnerung. Diesen seltsamen Raum in unserem Kopf, auf dem wir unser Leben und unsere Haltung dem Leben gegenüber begründen und der uns so oft täuscht. Den wir uns zur Recht biegen, ohne es zu merken; manchmal bis zum Erbrechen. Die Wahrheit aber liegt immer zwischen den Zeilen, zwischen den Bildern, zwischen den Köpfen. Sie ist das unsichtbare Netz, das uns alle verbindet.



Juli 2013